Facebook & Co. sind die großen Player der Gegenwart. Denken wir an den Arabischen Frühling, an die Mitteilungen des amtierenden US-Präsidenten auf Twitter, an die Meinungsbildung durch meist populistische Parteien in den sozialen Netzwerken oder an die #metoo-Bewegung: Die gesellschaftliche Diskussion findet vorrangig auf digitalen Plattformen statt und drängt das Kulturgut Buch langsam in den Hintergrund.
#werbrauchtheutenocheinbuchummitzureden?
Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat sich in seinem Buch „Die große Gereiztheit“ dieses Phänomens angenommen und versucht, Wege aus der kollektiven Erregung zu finden.
Durch die Digitalisierung haben wir den Eindruck, in ständiger Anspannung und Nervosität zu leben. Die Fake-News-Hysterie, die latente Terrorbedrohung, aber auch die Angst, das große Ding im Leben zu verpassen, lassen uns nicht mehr zu Ruhe kommen. Always-on. Always auf Alarmstufe Rot.
Gefangen in der eigenen Belanglosigkeit
Ich lese wieder.
Klingt seltsam. Stimmt aber.
Doch es gab eine Zeit, in der ich jeden Abend mit meiner Frau Serien schaute. Zugegeben, wunderbare Serien.
Mein Tag sah wie folgt aus:
Aufstehen. Schreiben. Arbeiten. Mittagessen. Arbeiten. Nachrichten. Serie. Schlafen.
Obwohl ich bei diesem Ablauf sehr gut vorankam, sehr viel schrieb und auch im Job sehr erfolgreich war, stellte ich plötzlich fest, dass etwas fehlte. Die Erkenntnis war schlicht, offensichtlich – und doch schmerzhaft.
Ich startete meinen Tag bewusst, achtsam und fokussiert – und verlor ihn zum Ende hin immer mehr aus den Augen. Je öfter ich auf das Smartphone sah, umso fahriger wurde ich. Je mehr Informationen ich „zwischendurch“ zur mir nahm, umso unglücklicher wurde ich.
Je älter der Tag wurde, umso belangloser wurde ich.
Die Gereiztheit der Welt radierte mich aus.
Ich verschwand im eigenen Alltag.
Was für ein Dilemma.
Zurück zur Sichtbarkeit.
Ich glaube – nein, ich weiß – mittlerweile, dass es notwendig ist, sich regelmäßig der digitalen Welt zu entziehen.
Ich habe meinen Tagesablauf inzwischen umgestellt.
Aufstehen. Schreiben. Sport. Arbeiten. Mittagessen. Arbeiten. Familie. Lesen. Schlafen.
Ich habe Sport vor das Arbeiten geschoben. Die Nachrichten habe ich durch zusätzliche Zeit mit der Familie ersetzt und Seriengucken durch Lesen ersetzt.
Mein Fazit: Es geht mir blendend. Das bewusste „Abschalten“ durch Sport, den Verzicht auf den Alarmismus der Nachrichten sowie das regelmäßige tiefe Lesen machen mich von innen heraus glücklich, und ich genieße jeden einzelnen Tag intensiv.
Offline ist mein neuer Luxus.
Demnach glaube ich, dass analoge, nicht-vernetzte Räume eine Renaissance erleben werden.
In einem gesunden Körper, wohnt ein gesunder Geist.
Vielleicht wird der Rückzug ins Offline zum Luxus der wahren Meinungsbilder. Denn nur im Off ist es – meiner Meinung nach – möglich, zu reflektieren.
Es ist wie im Sport.
Nach der Anspannung muss die Erholung folgen.
Ist das im gesellschaftlichen Diskurs nicht ähnlich? Ist dieses duale Prinzip nicht der Schlüssel zu einer fundierten Diskussion? Müssen wir immer alles sofort kommentieren? Sollten wir nicht mal nachdenken, bevor wir uns äußern?
Somit meine ich, dass der gegenwärtige Hype wieder zurückgehen wird. Zurzeit scheint nur zu existieren, was im Netz sichtbar ist. Aber auch außerhalb der Matrix gibt es ein Leben.
Die Kraft in der Ruhe
Ich bin überzeugt, dass die Sehnsucht der Menschen nach mehr Reflexion immer stärker wird. Das Buch ist hier meiner Meinung nach jenes Medium, das diese Reflexion vertiefen kann. Das tiefe Lesen.
Insofern glaube ich nach wie vor, dass Bücher in der Zukunft DAS Kulturgut eines gesellschaftlichen Diskurses sind. Sie müssen meiner Ansicht nach nur ins Digitale verlängert werden. An Bedeutung verlieren sie dadurch nicht. Vielleicht gewinnen sie durch ihren analogen Charakter sogar an Bedeutung, da es so gelingt, „die Dinge im Stillen zurechtzurücken.“
Der „Bildungsbürger“, wenn wir ihn weiterhin so nennen wollen, wird meiner Meinung nach nicht auf das Buch verzichten, um mitreden zu können. Natürlich wird er eine andere Auswahl treffen müssen, aber ich glaube, dass wir bald einen Markt finden, der das analog-digitale Gleichgewicht beschreiben wird.
Mein Manifest
Für mich leitet sich aus dieser These der zweite Wert meines Manifests ab:
„Regelmäßiges tiefes Lesen ist die Grundlage für einen ernsthaften gesellschaftlichen Diskurs.“
Insofern genieße ich vor allem im digitalen Zeitalter den Luxus der Unverbundenheit und die Stille der Reflexion, um Tag für Tag an meinen Zielen und Visionen zu arbeiten.
Nächstes Mal befasse ich mich mit meiner These Nummer 3: Du hast doch keine Chance auf dem Buchmarkt. Niemand kennt dich.
Bis dahin.
Bernhard Hofer